Xylit
Entdeckung
Xylit wurde erstmals um 1890 von Emil Fischer und seinem Doktoranden Rudolf Stahel aus Buchenholzspänen isoliert. Ihre Entdeckung, die sie Xylit nannten, veröffentlichten sie 1891. Etwa zur gleichen Zeit wie Fischer und Stahel isolierte der französische Chemiker M. G. Bertrand aus Weizen- und Haferhalmen eine Art Xylitsirup.Vorkommen und Herstellung
Xylit befindet sich neben Sorbitol als natürlicher Zuckeralkohol in vielen Gemüsesorten (u. a. Blumenkohl) und Früchten (u. a. Pflaumen, Erdbeeren, Himbeeren), wobei der Anteil kleiner als 1 % in der Trockenmasse ist, sowie in der Rinde bestimmter Holzarten (z. B. Birke und Buche). Anders als der alternative Name Birkenzucker suggerieren könnte, wird Xylit nicht direkt aus Birkenholz gewonnen. Die industrielle Herstellung von Xylit beruht auf Xylanen (Holzgummi) aus Birkenholz und anderen Harthölzern oder landwirtschaftliche Reststoffen wie Maiskolbenreste (Maisspindeln), Stroh, Getreidekleie und Zuckerrohr-Bagasse. Aus diesen wird Xylose bei Temperaturen von bis 200 °C und unter Einsatz von Schwefelsäure oder Natronlauge freigesetzt. Die freigesetzte Xylose wird dann mit einem Katalysator unter hohem Druck zu Xylit umgesetzt. Biotechnologische Verfahren wie der Einsatz von Hefen (etwa Candida tropicalis) sind möglich, werden jedoch noch nicht im großtechnischen Maßstab verwendet. Die industrielle Herstellung ist aufwendig, weshalb Xylit ein verhältnismäßig teurer Zuckeraustauschstoff ist. Als Zwischenprodukt werden im menschlichen Körper während des Kohlenhydratabbaus täglich 5–15 Gramm Xylit in der Leber hergestellt.Medizinische Bedeutung - Anti-kariogene Wirkung
Anfang der 1970er-Jahre wurden die Karies reduzierenden Eigenschaften des Kohlenhydrats entdeckt. An der Universität Turku (Finnland) wurden in den Jahren 1972 bis 1975 zwei klinische Studien (bekannt als Turku-Zuckerstudien) durchgeführt, die eine hochsignifikante Reduktion von Karies belegen konnten.In der ersten zweijährigen Ernährungsstudie wurde Zucker (Saccharose) in allen Lebensmitteln durch Fructose bzw. Xylit ersetzt. Insgesamt 115 Personen in insgesamt 3 Gruppen nahmen teil. Der Verzehr der Süßmittel belief sich auf 50 bis 67 g pro Tag. Nach der Studie konnte eine Kariesreduktion von 30 % bei Fructose und von über 85 % beim Einsatz von Xylit ermittelt werden. Zum Vergleich wurde der sogenannte DMFS-Index herangezogen. Die Zunahme des Index war 7,2 in der Saccharose-Gruppe, bei 3,8 in der Fructose-Gruppe und 0,0 in der Xylit-Gruppe.
Mit der zweiten Studie wurde begonnen, nachdem bei Probanden während der ersten Studie eine markante Reduktion der DMFS-Werte festgestellt worden waren, d. h., dass sie eine sogenannte Kariesreversion aufwiesen, wobei bestimmte Kariesläsionen einen Wiedererhärtungsprozess durchgemacht hatten. Das Xylit verstärkt hierbei den physiologisch vorkommenden Wiedererhärtungsprozess, indem es die Produktion von Säuren aus anderen Nahrungszuckern verhindert. Rund 100 Personen wurden in Saccharose- und Xylitolgruppen aufgeteilt. Die Süßmittel wurden im Verlauf eines Jahres in Kaugummis verabreicht, ca. 7 Gramm täglich pro Person. Im Vergleich zur Saccharosegruppe wurde bei den Xylitolprobanden eine Reduktion der Karieszuwachsrate um mehr als 82 % ermittelt. Der Kaueffekt konnte ausgeschlossen werden, da beide Gruppen die gleiche Menge Kaugummi konsumierten. Ein Fazit der Studie ist auch, dass bereits geringe Mengen an Xylit ausreichen und eine komplette Umstellung des Süßmittels nicht notwendig ist.
Diese Effekte werden dadurch erklärt, dass die kariogenen Bakterien der Art Streptococcus mutans Xylit nicht verstoffwechseln können und damit absterben. Weiterhin werden sie auch daran gehindert, als Plaquebakterien an der Zahnoberfläche anzuheften. Als optimale Xylitmenge wurden zwischen 5 und 10 Gramm pro Tag in mehreren Portionen ermittelt. Diese kann mittels Kaugummi oder Lutschpastillen aufgenommen werden.
Darüber hinaus regt Xylit die Speichelproduktion an und fördert die Bildung von Komplexen mit Calcium und Speicheleiweißen in der Mundhöhle, was zu einer Remineralisation von Zahnhartsubstanz führt. Xylit erhöht den pH-Wert im Mundraum, was für die Kalziumeinlagerung im Zahnschmelz Grundvoraussetzung ist. In einer weiteren Turku-Studie aus dem Jahr 2000 wurden die Wechselwirkungen zwischen Müttern, die regelmäßig xylithaltige Kaugummis kauten, und ihren Kindern (bis 2 Jahre alt) untersucht. Ein Ergebnis der Studie war, dass der regelmäßige Konsum von Xylit-Kaugummis durch die Mütter den Befall mit Streptococcus mutans bei den Kindern signifikant hemmt. Eine Doppelblind-Studie aus dem Jahr 2013 mit 538 Personen, die 5 Gramm Xylit pro Tag bekamen, fand hingegen keine vorbeugende Wirkung gegen Karies bei Patienten mit einer ausreichenden Fluoridaufnahme.